Einstimmiger Beschluss auf Mitgliederversammlung: IG Metall fordert Kostal zu Tarifverhandlungen auf

Einstimmiger Beschluss auf Mitgliederversammlung: IG Metall fordert Kostal zu Tarifverhandlungen auf

Der Schock traf die Region ins Mark: Im vergangenen Juni kündigte die Kostal-Gruppe, größter Arbeitgeber der Region mit rund 20.000 Beschäftigten auf der ganzen Welt, das Ende der Produktion am Stammwerk Lüdenscheid-Bellmerei sowie in Meinerzhagen und Halver an. Künftig soll in der Sparte Automobil-Elektrik nur noch im Ausland produziert werden. Im gleichen Atemzug kündigte die Unternehmensgruppe die Verlagerung von Arbeitsplätzen im Verwaltungsbereich nach Ungarn an. Bis in den Dezember hinein hat der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber hart um die Verlagerung nach Ungarn gerungen. Seit Anfang Januar finden Gespräche zu Sozialplan und Interessenausgleich zum Produktions-Aus statt.

Am vergangenen Samstagmittag trafen sich über 250 Mitglieder der IG Metall im Lüdenscheider Kulturhaus. Der Blick der Mitglieder ging zurück auf den Zeitraum seit der Verkündung der Produktionsschließung. Die Mitglieder schauten aber auch zurück auf den Sozialplan, der für die Beschäftigten im Verwaltungsbereich gilt. Über 300 „Kostalianer“ sind seit letztem Juni neu in die IG Metall eingetreten. Über 200 Beitritte verzeichnet die IG Metall, nachdem der Sozialplan zur Verlagerung von Verwaltungsjobs nach Ungarn vor der Einigungsstelle verhandelt wurde.

„So eine Bewegung hat es bei Kostal noch nie gegeben“, bekräftigt Fabian Ferber, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Märkischer Kreis und Unternehmensbetreuer der IG Metall sowie der europäischen Gewerkschaften für die Kostal-Gruppe. „Das hat auch damit zu tun, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihren Arbeitgeber nicht wieder erkennen, bei dem sie so viele Jahre gearbeitet haben.“ Bei einer spontanen Stellprobe im Theatersaal des Lüdenscheider Kulturhauses ist die große Mehrheit der Anwesenden aufgestanden, als gefragt wurde, wer länger als 30 Jahre bei Kostal seinen Arbeitsplatz vorfindet. Ferber fasste zusammen: „Die meisten hier haben entweder ihr ganzes Arbeitsleben oder zumindest den allergrößten Teil bei Kostal verbracht. Viele kamen aus einem ganz anderen beruflichen Umfeld. Wenn nun so getan wird, als könnte man nun von heute auf morgen auf dem Arbeitsmarkt eine vergleichbare Stelle finden, wird das den Leuten nicht gerecht, die über Jahrzehnte im Schichtdienst für den Erfolg der Kostal-Gruppe ihre Gesundheit haben leiden lassen. Dass in so einer Situation keine Transfergesellschaft angeboten wird, ist respektlos. Dass wir bis heute nicht wissen, wie viele Personen auch durch Weiterbildungsmaßnahmen, die von der Agentur für Arbeit voll getragen werden könnten, zum Beispiel bei Kostal Kontakt Systeme am Timberg oder bei Kostal Industrie-Elektrik in Hagen weitermachen können, macht es nicht besser.“

Torsten Kasubke, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Märkischer Kreis, rief dazu auf, nun zu kämpfen: „Nach dem, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, geht es nun auch darum, dass wir uns den Respekt und die Anerkennung zurückholen, die ihr euch in vielen Jahrzehnten erarbeitet habt. Das, was der Arbeitgeber anbietet, reicht bei weitem nicht. Die IG Metall wird die Beschäftigten in der Produktion in dieser harten Phase unterstützen. Diesen Weg gehen wir gemeinsam!“ Kasubke zeigte sich erstaunt über die Angebote des Arbeitgebers. „Im Nordkreis haben wir kürzlich einen Sozialplan ausgehandelt, der weit bessere Konditionen vorweist. Obwohl das Unternehmen deutlich kleiner ist. Kostal ist kein kleines mittelständisches Unternehmen, sondern ein international agierender Konzern mit Zentrale in Lüdenscheid. Das muss dann auch der Maßstab der Betrachtung sein.“

Manuel Bunge, Leiter des IG Metall-Vertrauenskörpers bei Kostal und hauptberuflich Betriebsratsvorsitzender an der Bellmerei, brachte sein Unverständnis zum Vorschein: „Die Firma Kostal hat mich zum Betriebswirt ausgebildet und muss nun damit leben, dass ich die erworbenen Fähigkeiten nun eben auch als Betriebsrat und hier nun auch als aktiver Gewerkschafter einbringen kann. Bei den großen Ausrufezeichen, die die Produktionsschließung gesetzt hat, bleiben noch viel zu viele Fragezeichen offen. Unser Ziel muss es bleiben, möglichst viele von Euch in der Kostal-Familie zu halten. Auch ist das letzte Wort für die Produktionsstandorte Meinerzhagen und Lüdenscheid aus meiner Sicht noch nicht gesprochen.“

Mit großem Applaus wurden als Ehrengäste Bernd Schildknecht und Rainer Schmolke begrüßt. Schildknecht ist heute ehrenamtlicher Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und war im Berufsleben zuletzt bis 2015 Erster Bevollmächtigter der märkischen IG Metall und dort auch für die Firma Kostal zuständig. Schmolke fungierte gut 30 Jahre seit den 1980er Jahren als Betriebsratsvorsitzender bei Kostal. Sie kamen, um den IG Metall-Mitgliedern Mut zu machen. Schildknecht sprach für beide zu den Anwesenden: „Seid Euch sicher, dass Ihr die Solidarität aller 34.000 Mitglieder der DGB-Gewerkschaften im Kreis habt und ganz besonders auch all derer, die früher bei Kostal gearbeitet haben und sich heute fragen, was aus ihrer alten Firma geworden ist. Rainer und ich haben für undenkbar gehalten, was hier los ist.“

Es folgte eine emotionale und intensive Diskussion unter den Mitgliedern. Alle Wortbeiträge trugen einen ähnlichen Tenor: Ungläubigkeit, was das Verhalten der Unternehmensgruppe betrifft, für die viele so lange gearbeitet haben. Aber auch Wut angesichts des ersten Angebots des Arbeitgebers für einen Sozialplan. Nach der Debatte haben die Mitglieder einstimmig beschlossen, für einen Sozialtarifvertrag zu kämpfen. Das heißt: Die Gewerkschaft handelt den Sozialplan aus. Während der Handlungsspielraum der Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf den konkreten Betrieb reduziert wird und auch nicht gestreikt werden darf, darf die IG Metall sehr wohl zu Warnstreiks aufrufen, um einen Sozialtarifvertrag durchzusetzen. Die für Tarifverhandlungen zuständige Bezirksleitung der IG Metall in Nordrhein-Westfalen hat für dieses Verfahren bereits Vollmacht erteilt.